Die Ureinwohner in Costa Rica

Die Nacht war kurz, weil ich wegen dem Schimmel an den Wänden schlecht schlief. Und weil es zu eng war. Echte Luxusprobleme. Wir schliefen im Haus eines Fremden, der mit einem einzigen Luftstoss aus seinem Mund jemanden töten oder heilen kann. Das erzählte uns am Abend zuvor sein Sohn. Er nannte sich «Aprendiste». Das heisst Lernender. Sein Vater sei der mächtige Schaman dieser Gruppe, der zwischen der geistlichen und der sterblichen Welt vermittelt. Sein Lehrer, erklärte er uns. 

Apprendiste und der Hispanismus

Apprendiste erzählte mir von Spaniern, von Unterdrückung, Raub und vielen Problemen. Ich war müde und es fiel mir schwer seinem Spanisch zu folgen. Ich verstand, dass sie Probleme mit der Regierung haben und Spendengelder für die indigenen Völker nach Costa Rica fliessen – von denen sie nicht einen Cent sehen.

Nach der mehr als anstrengenden Fahrradtour genossen wir das Privileg zu duschen. Aus einem Eimer mit Kübeln. Und alles mit Regenwasser versteht sich.

Wir lernten den Schamanen kennen

Nach dem Gespräch am Abend mit dem Apprendiste, dem Sohn des Schamanen, war ich ungeduldig auf den Stammesführer, den Schamanen, den Papa zu treffen. Juan Sanchez.
In einem weissen Pick Up fuhren der Schamane und seine Frau vor das Haus. Sie hielten an und begrüssten uns freundlich und zurückhaltend. Ich fühlte mich seltsam, in einem fremden Haus den fremden Besitzern die Tür zu öffnen.
Wir packten unsere Sachen und stellten sie auf die Veranda, während die freundliche Schamanenfrau uns einen Kaffee anbot.

Die Kultur der Schamanen erhalten

«Kommen viele Weisse hier her?» Fragte ich.
Der Schamane mit dem freundlichen, weissen Lächeln und den funkelnden Augen nickte. Er taute auf, als er merkte, dass wir ein wenig Spanisch sprechen. Hierher kämen viele Weisse. Suchende, Missionare, freiwillige Helfer, Touristen. Sein Job hier sei es, seinem Stamm und den Besuchern die Kultur zu vermitteln und sie zu erhalten.

Eine Kultur, die hier in Costa Rica früher das ganze Land bevölkerte und mittlerweile lediglich rund einen Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht.
Eine Geschichte, die weit in der Vergangenheit liegt und bei diesen Menschen präsent ist, als sei sie gestern passiert. Wie sein Sohn, erzählte mir der Schamane von der Eroberung des Landes durch die Spanier im 15. Jahrhundert.
Mir fiel auf, dass sie die Geschichte erzählen, als hätten sie sie hautnah miterlebt. Wie die Spanier ihnen alles wegnahmen. Ihre Sprache, ihr Land und wie sie ihre Rasse ausrotteten.

Stolze Naturreligion

Ich fand mich mitten in einem philosophischen Gespräch mit einem Schamanen, dessen Ahnen in der prähispanischen Zeit genau das Land gehörte, in dem ich zu Besuch war. Ich war gefesselt. Und empfand etwas Ehrfurcht.
Sein Stolz war in jedem seiner Worte erkennbar. Der Stolz darüber, dass sie ihnen alles nahmen, ausser ihren Geist, ihren Glauben. Stolz darüber, dass sie immer noch hier waren und uralte Traditionen am Leben erhielten. Einen Glauben und eine Naturreligion bewahrten, die weit älter ist, als das katholische Christentum.

Der Weg zu Gott

Weit älter als die Religion derjenigen, die sie als Satanisten und Verrückte bezeichnen, meinte der Stammesvater. «Wir mischen uns nicht in ihren Glauben ein. Wir respektieren andere Menschen und wir respektieren einen anderen Glauben.» Er öffnete seine Hand und fuhr die Lebenslinien entlang. «Es gibt viele Wege», sagte er, «und alle führen sie zu dem einen Gott.»
«Führt mein Weg auch dorthin?» Fragte ich auf Spanisch.
Er sagte: «Si claro.» Natürlich. Als wäre es das selbstverständlichste der Welt. Selbstverständlich. Wie könnte es anders sein?

Verurteilung der Christen

Die Regierung bindet den katholischen Glauben eng in das politische System ein. Ihre Forderung ist es, dass sich die Indiginos integrieren. Sprich, ihre Kirchen besuchen und ihre Feste feiern. Hierher kämen viele Missionare. Einer nach dem anderen.

Ein Fundamentalismus, der uns an unser vorheriges Projekt erinnerte.

«Behandeln sie euch respektvoll?» Fragte ich.
Die Frau des Schamanen schüttelte wortlos den Kopf. Und ich meinte zu erkennen, dass sie Tränen zurückhielt.
«Sie sagen, wir sind Verrückte.» Wirft der Schamane ein. «Sie sagen, wir bringen Gott Schande, weil wir nicht heiraten. Ich lebe mit meiner Frau seit Jahren zusammen. Sie ist die einzige Frau, der ich treu bin. Die christlichen Missionare erzählen mir, das sei Böse in Gottes Augen.» Er schüttelte den Kopf.
«Wir besuchen ihre Kirchen nicht und wir lesen ihre Bibel nicht.» Sagte seine Frau bestimmt.

Kein Besitz, sondern Einklang mit der Natur

Langsam verstand ich, warum sie uns nicht mit offenen Armen empfingen. Sie haben wohl einfach genug Weisse gesehen. Genug Weisse, die ihnen mehr nahmen, als nur ihr Land. Ihre Würde und ihre Rechte.

«Die Spanier kamen», wiederholte der Schamane erneut, «nahmen uns alles und führten ein System mit Geld ein. Wir hatten kein Geld, deshalb wurden wir an den Rand dieses Systems gedrängt. Sie nahmen uns das Land und wir zogen uns in die Berge zurück.»
«Unser Glaube lehrt uns im Einklang mit der Natur zu leben. Wir, die Menschen, wir sind die schwächste Schöpfung auf dieser Erde. Die Tiere sind stärker, als wir. Sie sind uns überlegen. Die Pflanzen und alles, was lebt.»
«Wir besitzen nicht. Wir besitzen keine Tiere, keine Pflanzen, kein Böden. Die Kühe hier gehören den Weissen.»
«Das Geld ist für uns da, um zu leben. Nicht, um zu besitzen.»

Wir zogen weiter

In Zeremonien beten sie die Götter der Natur an. Soviel wie ich verstand sind da eine Menge Rauschmittel im Spiel. Eine uralte Tradition. Viele Europäer kämen hierher um an diesen Zeremonien teilzunehmen.
Er bot uns an eine Nacht länger in seinem Haus zu bleiben. Ich hatte das Gefühl nicht weiter stören zu wollen. Selbst wenn es für sie normal war, dass Weisse ihr Dorf besuchten. Wir zogen weiter.

Genauer gesagt in den Dschungel, in dem eine Costa Ricanische Familie eine Art Anlage führt, die im Einklang mit ihrem  Ökosystem geführt wird.

Ganz im Trend der heutigen Zeit also. Ganz im damaligen Trend der Schamanen, die hier vor hunderten von Jahren lebten.
Wir sind gespannt. Und wir hoffen, ihr auch.

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