So gefährlich (oder auch nicht) ist es in Israel

Ich ging gemeinsam mit meiner Familie zum vierten Mal nach Israel.

Zum ersten Mal war ich mit meinem Grossvater da. Er flog mit einer Reisegruppe von Zürich nach Tel Aviv. Ich flog von Athen aus. Dort wurde ich zum ersten Mal sorgfältig am Zoll kontrolliert.

«Warum fliegen Sie von Athen aus? Warum fliegen Sie nicht von der Schweiz aus? Warum gehen Sie zuerst nach Griechenland? Warum fliegen Sie ohne ihren Grossvater?»

In dem Raum in dem ich ausgequetscht wurde sass eine muslimische Familie, auch sie hatten Schwierigkeiten in den Flieger zu kommen. Ich wurde vom Sicherheitsbeamten nach 45 Minuten persönlich zu meinem Sitzplatz im Flieger geleitet.

Soweit meine ersten Erfahrungen.

EIne normale Kontrolle am Flughafen in Tel Aviv

Das zweite Mal besuchte ich Israel, um meine meine Diplomarbeit über Jerusalem machen. Eine Radiosendung.

Die Idee war, im Flugzeug der El Al erste Aufnahmen zu machen. Die Erlaubnis dafür zu bekommen, war beinahe so kompliziert, wie die Friedensverhandlung zwischen Israel und Palästina.

Am Flughafen in Zürich genehmigte ich mir einen Sondercheck. Beim Zurückreisen nahm ich mir erneut 45 Minuten für die Kontrolle Zeit. Oder: Diese Zeit wurde mir genommen. Immerhin schaffte ich es jedes Mal knapp und rechtzeitig in den Flieger.

Die dümmste Idee meines Lebens: Mit einem falschen Visum nach Israel reisen

Meinen dritten Besuch vergesse ich nie mehr.

Mein Plan war damals ein halbes Jahr nach Israel zu gehen und in einem Kibbutz zu arbeiten. Ich beantragte eine Volontärvisum.

Ein paar Tage vor meiner Abreise erhielt ich ein Jobangebot eines Radiosenders – in einem Monat sollte ich den Job beginnen. Keine Zeit mehr für ein halbes Jahr Israel. Ich schrieb der Botschaft, dass ich als Tourist meine Reise antrete.

Mit dem Visum in der Tasche, flog ich entspannt nach Tel Aviv.

An der Passkontrolle in Tel Aviv geleitete mich der Mann hinter dem Sicherheitsglas in einen Raum mit anderen wartenden Menschen. Nach zehn Minuten wurde ich aufgerufen, erhielt meinen Pass zurück und schaffte es noch auf den Zug.

Ein reibungsloser Ablauf bis dahin. Bis ich meinen Pass durchblätterte und das Visum für ein halbjähriges Volontariat im Kibbutz entdeckte. Egal. Ich war im Land.

Diese Unbekümmertheit würde sich später gehörig rächen.

Meine Reise durch Israel

Ich verbrachte ein paar Tage in Naharjia bei meiner Tante.
Danach ein kurzer Abstecher in die wunderschönn Stadt Akko.
Drei Tage Haifa mit einem Kurztrip an den See Genezareth.
Ab nach Jerusalem, dort besuchte ich ein paar Bekannte.
Tel Aviv und die ewige Party.
Eine grossartige Reise ins südliche Eilat, durch die grossartige Wüste.
Und dann noch ein paar Tage am schwarzen Meer.

Während meinem Aufenthalt: Eine Bombe in Jerusalem

Eine Reise, die durch eine schreckliche Meldung einen negativen Beigeschmack bekam: BBC News zeigte im Fernsehen das Bild einer Bushaltestelle in Jerusalem – oder das was von ihr übrig blieb. Der Bus war in Einzelteile zerfetzt. Die erste Busbombe in Israel seit sieben Jahren – der erste Terror seit langer Zeit.

Ich erinnerte mich, wie ich wenige Tage zuvor an genau dieser Bushaltestelle sass. Wie ich in den Bus mit der gleichen Nummer einstieg.

Von Eilat nach Tel Aviv

Am selben Tag ging ich an den Flughafen in Eilat und buchte einen Inland-Flug nach Tel Aviv. Von dort wollte ich dann direkt nach Zürich weiterfliegen.

Am Tag der Heimreise erwachte ich früh. Packte alles zusammen und ging früher an den Flughafen, weil ich wusste, dass Sicherheitschecks in Israel ihre Zeit dauern.

Eine sonderbare Kontrolle am Flughafen in Eilat

Mit einem freundlichen «hi, whats your name» weckte mich die junge Sicherheitsbeamtin am Check-In aus meinen Tagträumen.

Das Frage-Quiz folgte prompt. Was war der Grund für meinen Aufenthalt, wen besuchte ich, wer packte mein Gepäck –  ich beantwortete die Routinefragen schnell. Alles wie immer.

Dann rief die Sicherheitsbeamtin eine Kollegin zu sich und ich wurde übergeben. Das war mir noch nie passiert.

Im Flughafen im Kreuzverhör

Das Verhör ging mit ein «paar» weiteren Fragen weiter.

Konkret erlebte ich den Monat nochmals im Schnelldurchgang. Jeder Aufenthalt, jeder Besuch wurde kleinlichst abgefragt. Ich zeigte Fotos auf dem Smartphone. Auf Google Maps zeigte ich meine Routen. Das Kreuzverhör dauerte 20 Minuten

Übergabe an die Polizei?

Zwei Männer kamen aus dem Büro. Einer von ihnen stand etwas abseits und beobachtete mich mit stierenden Argusaugen. Ich dachte mir: Was haben die gefunden?

Ich beantwortete eine Frage falsch und ein Grinsen zuckte über mein Gesicht. Es war alles zu surreal. Der junge Mann fragte mich, warum ich grinste. Ich zuckte mit den Schultern und antwortete: «Die haben mich an den Eiern.» 

Der Mann, der mich befragte, hatte sich als Leiter der Flughafensicherheit vorgestellt. «Ich habe ihre Geschichte gehört und ich glaube ihnen nicht.» Er habe drei Fragen an mich. Würde ich diese nicht nach seinen Vorstellungen beantworte, würde er mich der Polizei übergeben.

In den Knast in Israel

Von meiner Tante, die in Israel lebt, wusste ich, dass ich in U-Haft gehen würde. U-Haft ist in Israel nicht sehr luxuriös. Ich beantworte alle drei Fragen richtig. Dennoch liessen sie mich nicht gehen. Jeden Moment begleitete mich der junge Mann mit den Argusaugen. Selbst bis auf die Toilette.

Sie funkten, flüsterten und berieten sich. Alles in Hebräisch. Dann stoppte der Funkverkehr abrupt. Sie kamen auf mich zu und führten mich hinaus in die Check-In Halle. Sie war menschenleer.

Ebenso der Vorplatz des Flughafens. Die Polizei hielt die Menschen auf der anderen Seite der Strasse. Als ich nach oben blickte, sah ich Scharfschützen mit Maschinengewehren. Alle auf ein Ziel gerichtet. Auf mich.

Scharfschützen am Flughafen in Eilat

Ich realisierte: Es geht definitiv um mich. Irgendwas haben sie gefunden. Hat mir jemand im Hostel etwas untergeschoben? Habe ich eine Frage falsch beantwortet?

Meine treuer Freund und Bodyguard setzte sich neben mich auf die Bank in der Mitte des Vorplatzes. Der Flughafen Eilat war evakuiert. Auf den Dächern standen die Scharfschützen. Und alles wegen mir.

Nach fünf Minuten fragte mich der Bodyguard: «Do you think this will have a good end?» Ich fand es seltsam, dass gerade er mich das fragte. Obwohl er ausgebildet und trainiert war, standen in seinen Augen Fragezeichen. Ich sagte ihm, dass ich denke, dass sich alles klären wird. Er entspannte sich ein kleines bisschen.

Der Grund für die Sicherheitsmassnahmen

Nach weiteren fünf Minuten gesellten sich gefühlt 20 weitere Menschen dazu. Ich erkannte die Sicherheitsbeamtinnen und den Sicherheitschef wieder. Mit mir sprach nur eine Frau.

Von wo ich meine Schuhe habe?

Aus einem Einkaufscenter am Gardasee.

Wann ich dort war? Mit wem? Ob an meinen Schuhen etwas speziell sei? Ob ich schon oft da war? Ob ich alle Freunde, die mit mir da waren, gut kenne?

Und wieder: Ob irgendwas an meinen Schuhen speziell sei?

Als ich die frage zum dritten Mal hörte, klickte es bei mir. Wieder musste ich grinsen.

Ich hatte Einlagen. Schuhe mit speziellen Einladen.

Und dann versuchte ich im Kreuzverhör – mit Blicken und scharfem Geschütz auf mich gerichtet – zu erklären was Einlagen sind. Die kleinen Eisenstäbe und der leicht flüssige Inhalt, hatten unliebsamen Verdacht geschöpft.

Erhöhter Verdacht wegen des Attentats in Jerusalem

Nach ein paar Minuten stammelnder Erklärversuche, entspannten sich alle merklich. Wir gingen wieder in das Flughafengebäude. Und erneut wurde ich gründlich untersucht. Wirklich gründlich.

Ich fragte die Beamten, warum sie mich von Anfang an verdächtigten. Das mit den Schuhen fiel ihnen doch erst später auf. Sie sagten, ich hätte im Verhör gesagt, dass ich alle Menschen in Jerusalem zu Fuss besuchte. Sie hatten jedoch in meinem Portemonnaie ein Busticket gefunden.

Ihr erinnert euch, dass wenige Tage zuvor ein Bus in Jerusalem das Ziel einer terroristischen Attacke wurde.

Klar, war ich in Jerusalem Bus gefahren. Wenn ich Freunde besuchte, lief ich allerdings zu Fuss.  Kommunikation sag ich da nur.

Endlich mit dem Flugzeug von Eilat nach Tel Aviv

Durchgecheckt sass ich mit meinem Bodyguard in einem Restaurant und er spendierte mir Reis und Poulet. Wir warteten auf meinen Flieger.

Den regulären Flug hatte ich verpasst und sie buchten mich in ein anderes Flugzeug ein. Als ich fertig gegessen hatte, brachte mich der Bodyguard zum Flugzeug, entschuldigte sich nochmals und wünschte mir eine gute Reise.

Wer denkt die Geschichte sei hiermit zu Ende: Falsch.

Ich war noch lange nicht aus der Geschichte raus.

Erneute Sicherheitskontrolle in Tel Aviv

Ich flog von Eilat nach Tel Aviv. Dort wartete ein weiterer Security-Mensch auf mich. Normalerweise winken die Beamten Schweizer Pässe einfach durch.

Nein, heute nicht. Er prüfte den Pass genau und stellte mir Tausendundeine Frage. In der Check-In Halle sah ich die Damen meiner Fluglinie reine machen. Ich war zu spät.

Als Wiedergutmachung ein Hotelaufenthalt in Tel Aviv auf Staatskosten

Ich erzählte einem Beamten, was mir bereits in Eilat passiert war. Er hörte mir zu. Dass ich deswegen wieder meinen Anschlussflug verpasst hatte, schien ihn herzlich wenig zu interessieren.

Ich wandte mich an den Info-Schalter und bestand darauf mit dem Sicherheitschef des Flughafens in Eilat verbunden zu werden. Der nahm ab und fragte was los sei.

Ich war in Tel Aviv, hatte den Flug verpasst und kein Geld mehr. Er fragte mich warum.

«Gab es heute Morgen bei Ihnen eine Evakuierung?»

«Oh, das waren Sie?»

Er schenkte mir einen Hotelaufenthalt mit allem drum und ran. Ein Tag mehr in Israel auf Staatskosten.

Und schon wieder die Sicherheitskontrolle

Der Ben Gurion Flughafen in Tel Aviv ist gross. Grosse Flughäfen zu evakuieren, ist schwierig.

Ich stand am nächsten Morgen in der Schlange am Check-In. Ihr ahnt es: Das Drama wiederholte sich. Erstes Interview, zweites Interview, drittes Interview.

Dann zum Sonder-Check. Drama wegen meinen Schuhen, dem Busticket und dem falschen Visum. Ich gab einem Security-Mitarbeiter mein iPhone.

An mir wurde nichts Schlimmes gefunden. Und anscheinend spielte der Security-Mitarbeiter während meiner Befragung an meinem iPhone Solitaire.

Wenigsten erreichte ich diesmal meinen Flug und gewann eine wichtige Erkenntnis: Ich fühle mich nirgendwo so sicher wie in Israel.

Und darum wagte ich es auch, mit meiner Familie in dieses Land zu reisen.

FAMILIE METTLER